Montag, 18. Juni 2012

"Hitler ist ja auch legal an die Macht gekommen..."

...sagt Michael Kelpanides - er lehrt Soziologie an der Aristoteles-Universität in Thelassoniki.

Er hat noch Einiges mehr zu sagen - zum Beispiel dazu, wenn Wähler sich radikal entscheiden. Es ist nicht immer die Schuld der Wähler allein, wenn sie etwas wählen, das sich als furchtbar erweist. Denn, es ist schwer, solche Radikalinskis nicht zu wählen, wenn sich die anderen Parteien alle als Einheitsfront und zusammengerührter Inhaltsbrei erweisen, in dem es nur noch geringfügige Unterschiede gibt - irgendwo dazwischen - nach denen lange gesucht werden muss.

Wenn die Menschen den Eindruck gewinnen, dass die Parteien welche als ohne Weiteres wählbar und eigentlich angesagt zu gelten haben, nur noch ihre eigenen Dinger machen, und sich einen Dreck um die Leute scheren, wählen sie unter Umständen radikal.Wenn die Leute zusehen müssen, wie Demokratie für das Linsengericht des Euro verscherbelt wird, ihre hart erarbeiteten Lebensgrundlagen weggenommen werden um die Banken zu stützen, dann wählen Menschen schon mal radikal. Wenn sich die Wähler angelogen und betrogen fühlen, - wenn sie zusehen müssen, wie die Politik der üblichen Parteien einheitlich wird, und zu ihren Ungunsten - und, wenn sich ihnen aufdrängt, dass sie daran kaum etwas ändern können, dann wählen Menschen schon mal radikal.

Es ist also mehr oder weniger eine Verzweiflungstat, aus der Angst um die eigene Existenz und Zukunft geboren. Das ist auch der Grund, warum die Schösse immer fruchtbar bleiben werden, aus denen die Ungeheuer kriechen, die hinterher die eigenen Erzeuger auffressen.
Das ist auch der Grund, warum keiner etwas gewusst haben will: Wer in Panik wählt, weiss nicht - denkt nicht mehr gross nach. Wer aus Rache wählt, auf den trifft Ähnliches zu.

Anders herum betrachtet wird ein Schuh daraus: Wenn die Parteien, die als gemässigt und legitim gelten, vergessen, wem sie verpflichtet sind - wenn diese Parteien zu etwas Undefinierbarem und nicht mehr Begreifbarem werden, das in der Sicht der Wähler ihrem eigentlichen Auftrag zum Wohl des Volkes nicht mehr umfänglich nachkommt, dann treiben doch genau diese Parteien und Regierungen die Menschen so weit in Ratlosigkeit und Verzweiflung, in Aussichtslosigkeit und Hoffnungslosigkeit, dass diese keinen anderen Ausweg mehr sehen, als eben radikal zu wählen.

Das soll keine Entschuldigung sein für derlei Wahlen, es soll auch keine Radikalen legitimieren. Es ist einfach nur eine Feststellung, die wohl öfter zutrifft, als uns lieb sein kann.
Die Verantwortung fängt nicht erst bei der Freiheit an, wie Gauck suggeriert - sondern, diese ist immer gefordert. Die Verantwortung für die Menschen endet auch nicht bei der Krise. Wenn aber die Parteien und Regierenden nur noch an sich denken, an ihren Ruhm, an ihre Interressen, die weit weg sind vom Alltag der Bürger, dann sorgen sie mit dafür, dass sich eben diese Bürger radikalisieren - auf die eine, oder andere Art.

Es ist eine unbequeme Erkenntnis, aber ich denke schon, dass darüber auch einmal nachzudenken wäre, statt derlei schlicht zu ignorieren, oder niederknüppeln zu lassen. Vor allem wäre es bedenkenswert unter den gegebenen Aspekten, dass unsere Regierenden samt ihrem Tun und Lassen ja auch zunehmend kriegerisch, faschistisch und radikal anmuten.

Hier das Interview mi Kelpanides:

http://www.focus.de/politik/ausland/tid-26190/griechischer-professor-im-focus-online-interview-kelpanides-hitler-kam-auch-legal-an-die-macht_aid_768843.html

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